ATOMKRAFT – JA BITTE ???

Prof Lee und N.Rehm an Ulrichsquelle in Eresing
Prof Lee und N.Rehm an Ulrichsquelle in Eresing Foto: Harald Huber

Ein südkoreanischer Professor namens Won-Young Lee machte auf seinem Protestmarsch gegen Atomkraft im Juni auch Station in unserem Landkreis. Die Windacherin Natalie Rehm hat ihn auf seiner Tages-Etappe von Germering nach Eresing ein Stück weit begleitet und sich mit ihm ausgetauscht…

Prof. Dr. Won-Young Lee ist emeritierter Professor für Städtebau an der Universität von Suwon/Südkorea. 2017 startete er eine ungewöhnliche Pilgerreise von Südkorea bis zum Papst nach Rom. Sein Weg führte – mit Unterbrechungen – durch 26 Länder. Dabei legte er rund 11.000 km Strecke zurück, 8.200 km davon zu Fuß und eine Teilstrecke durch Wüstenregionen mit dem Zug. Von Asien über Osteuropa nach Mitteleuropa marschierte er schließlich quer durch Süddeutschland über die Alpen bis nach Italien. Geplante Ankunft in Rom: Ende August.

Prof. Lee aus Südkorea in Eresing Foto: N.Rehm

Anlass für seinen Protest bilden insbesondere die drei atomaren Unfälle von Three Mile Island (USA), Tschernobyl (UdSSR) und Fukushima (Japan) und die unzureichenden Konsequenzen daraus.

Von der Freisetzung der Radioaktivität beim Uranabbau, über den Transport von Brennstäben und den Normalbetrieb der Anlagen bis hin zur Lagerung des Atommülls, verfüge diese Technologie über ein hohes destruktives Gefahrenpotential, das nicht in ausreichendem Maße von den Menschen erkannt und eingedämmt werde. „Die Vereinten Nationen sind zu schwach“, so Lee, „und die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO kommt ihrer Aufgabe als Kontrollgremium nicht nach. Stattdessen fungiert sie als verlängerter Arm der Atomlobby.“

Im Hinblick auf die nachfolgenden Generationen dürfe man die Alternativen zur Atomenergie nicht weiter ausbremsen. Es sei nicht hinnehmbar, dass wir Atommüll hinterlassen, der noch zehntausende von Jahren weiter strahlen wird, und so tun, als sei dies kein Problem. „Das ist der Weg zur Selbstzerstörung.“

Dieser Zorn ist das Motiv für seine Pilgerreise.

Nachdem er bereits Seine Heiligkeit den Dalai Lama und den orthodoxen Weltpatriarch Bartholomäus I. getroffen hat, hofft er nun auch auf eine Audienz bei Papst Franziskus. Von der Einbindung religiöser Oberhäupter erhofft er sich mehr Stärkung und Solidarität im globalen Agieren gegen die Gefahren durch Atomenergie und Kernwaffen.

Es ist kein Zufall, dass seine erste Route außerhalb Südkoreas durch Japan führte und in Nagasaki, dem Ort des Atombombenabwurfs, endete.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) arbeitet seit langem mit Lee zusammen und hat 2012 ein gemeinsames Memorandum für eine Welt ohne Atomkraft unterschrieben. Darin setzen sich die „Koreanische Gesellschaft für den Ausstieg aus der Kernenergie (KSNP)“ und der BUND für den Atomausstieg und eine ökologische Energiewende ein. (In Südkorea wird die Bewegung vorallem durch den BUND-Schwesterverband „Friends of the Earth Korea (KFEM)“, kritische Professoren und buddhistische Gemeinden vorangetrieben.)

Die Kreisgruppe des BUND Landsberg am Lech unterstützt Lee´s Pilgerreise und hat zusammen mit dem Ortsverband B´90/Die Grünen VG Windach auf Lee´s Route durch Bayern aufmerksam gemacht. Auf Anregung des Arbeitskreises Nachhaltiges Windach (AKNaWi) hat Natalie Rehm den Professor einen Tag lang begleitet:

Die gemeinsame Wanderung beginnt in Germering, wo der Professor von der Kreisgruppe des BUND Fürstenfeldbruck begrüßt wird. Trotz Jetlag findet der 66-Jährige schnell in den Tritt – gilt es doch, eine Tagesetappe von 30 km zu bewältigen…

Viele Menschen grüßen, einige erkennen Lee aufgrund der medialen Berichterstattung. Man kommt ins Gespräch, der Professor erklärt sein Anliegen und verteilt Flyer mit den Hintergründen und Daten zu seiner Pilgerreise. Ob Photovoltaikanlage, (städte-) bauliche Maßnahmen, Methoden der Wasserspeicherung, Anbauprodukte auf den Feldern oder die Menschen, denen er unterwegs begegnet – er scheint sich für alles zu interessieren, stellt viele Fragen und macht Fotos, die er dann täglich postet.

Immer wieder kommt der verantwortungslose Umgang mit der Atomenergie zur Sprache und man ist sich einig, dass die Frage nach Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Frieden global und auf vielen Ebenen gleichzeitig angegangen werden müsse. 

Auch Rehm beschäftigt sich seit der Katastrophe von Fukushima mit der Problematik der Atomenergie. „Der Heimatort meiner japanischen Familie liegt wenige Kilometer vom havarierten Atomkraftwerk entfernt. Die Katastrophe im März 2011 hat Heimat und Lebensgrundlagen zerstört“, erzählt sie. Zwar habe die Ansiedelung der Atomindustrie dort zunächst Arbeitsplätze geschaffen und einer vormals strukturschwachen Region zu wirtschaftlichem Aufschwung verholfen. „Aber der Preis, den die Menschen dafür zahlen mussten und noch viele weitere Jahrzehnte müssen, liegt außerhalb jeder Vorstellung.“

Die Region Fukushima, einst Kornkammer Japans und überwiegend landwirtschaftlich geprägt, kämpft noch heute mit den Folgen der Katastrophe. Kontinuierlich fallen tonnenweise radioaktives Kühlwasser und Dekontaminationsabfälle an. Mit einem Ende der Rückbauarbeiten wird nicht vor 2050 gerechnet.

Ursache für die Katastrophe war nach heutigen Erkenntnissen eine Fehleinschätzung bei der Risikobewertung.

Das Risiko nuklearer Katastrophen umfasst neben der Beschaffung von Brennmaterial, dem Bau und dem Betrieb von Atomkraftwerken auch die Bereitstellung und den Einsatz von Atomwaffen sowie die Zerstörung nuklearer Anlagen durch Naturereignisse, panzerbrechende Munition oder Cyberangriffe.

Obwohl deutsche Atomkraftwerke im internationalen Vergleich hohe Sicherheitsstandards erfüllen, sind auch diese nicht ausreichend gegen offensive oder hybride Kriegsführung und extreme Naturereignisse ausgelegt. Das größte Risiko im Normalbetrieb stellt menschliches Versagen dar. Nach wie vor ungelöst ist die Problematik der Entsorgung und der Endlagerung des Atommülls.

Mit Hinblick auf eine drohende Energiekrise wird derzeit der bereits beschlossene Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie in Frage gestellt.

Folgende Szenarien stehen zur Diskussion:

1.Vorübergehende Laufzeitverlängerung der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke. Nutzung der verbliebenen Leistungsreserven im sogenannten Streckbetrieb zur Stabilisierung der Grundlast über einen Zeitraum von fünf bis sechs Wochen (bis der Winter vorbei ist) ist technisch möglich.

Voraussetzung: Erneute Sicherheitsprüfungen. Keine Anschaffung neuer Brennstäbe. Kein zusätzlicher Atommüll. Bestehendes Personal vor Ort kann weiterhin eingesetzt werden. Keine größeren finanziellen Investitionen.

2. Laufzeitverlängerung für bereits vom Netz genommener Reaktoren.

Voraussetzung: Erneute Betriebsgenehmigungen und Sicherheitsprüfungen. Technische Voraussetzungen zum Wiederanfahren bereits stillgelegter Reaktoren müssen geprüft werden und sind unter Umständen nicht mehr gegeben. Neue Brennstäbe sind nötig, weiterer Atommüll fällt an. Neues Fachpersonal muss angeworben und ausgebildet werden. Während der Revisionspausen kein Beitrag zur Stabilisierung der Grundlast. Größere Finanzielle Investitionen sind nötig.

3. Neubau von Atomkraftwerken.

Voraussetzung: Baugenehmigung,  Betriebsgenehmigung, Sicherheitsprüfungen. Neue Brennstäbe sind nötig, weiterer Atommüll fällt an. Neues Fachpersonal muss angeworben und ausgebildet werden. Während der Revisionspausen kein Beitrag zur Stabilisierung der Grundlast. Sehr hohes Investitionsvolumen ist nötig.

Für alle drei Optionen muss das Atomgesetz geändert werden. Außerdem muss vorher geklärt werden, ob die weitere Nutzung von Atomenergie in Deutschland unter den aktuellen Umständen tatsächlich den CO2-Ausstoss im Sinne der Klimaziele senken würde.

Im Hinblick darauf, dass der Nutzung von Atomenergie die wirtschaftliche Basis fehlt und es sich nicht um eine zukunftsorientierte Technologie handelt, ist es langfristig nicht nur ökologischer sondern auch ökonomischer, in den Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Entwicklung und den Ausbau von Speichertechnologien zu investieren.

Anders als in Südkorea, wo der Anteil des Atomstroms bei ca. 30 % liegt, macht er in Deutschland nur noch 6 Prozent des Strommix aus. Auch in Südkorea wurde unter dem ehemaligen Präsidenten Jae-In Moon der Atomausstieg beschlossen. Sehr zum Bedauern des Professors und seiner Mitstreiter wurde diese Entscheidung vom neuen Präsidenten Suk-Yeol Yoon mit Amtsantritt im März kassiert. „Die 24 Reaktoren, die wie in Fukushima alle am Meer liegen, stellen ein sehr großes Risiko dar. Aber für die südkoreanische Bevölkerung standen während der Wahlen mehr gesellschaftliche und soziale Themen im Vordergrund, weniger ökologische Themen.“, meint Lee. So blickt der Professor mit großer Erwartung auf Deutschland. Die Photovoltaikanlagen als weithin sichtbare Zeichen des Fortschritts beim Ausbau erneuerbarer Energien hatte er auf seiner Wanderung durch unsere Region fest im Blick. „Deutschland sollte diesbezüglich eine Vorreiterrolle einnehmen und weitere Länder inspirieren.“ 

Dass sie den Professor einen Tag lang begleiten durfte, kommentiert Rehm am Ende der Wanderung so: „Prof. Lee hat sich unter enormem persönlichen Einsatz wortwörtlich auf den Weg gemacht, um aufzuklären und wachzurütteln. Das ist ein gewaltiger Kraftakt. Statt seinen Ruhestand gemütlich mit der Familie zu verbringen und kurzweiligen Hobbys nachzugehen, hat er diesen Weg gewählt. Das ist ein Geschenk, eine riesige Chance und Motivation.“ 

ATOMKRAFT ? – NEIN DANKE !!!

Wer sich noch weiter über Herrn Prof. Lee und seine Aktivitäten informieren möchte, kann ihm auf  liferoad.org folgen.

Weitere Quellen zum Nachlesen:

Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit: grs.de

Bundesamt für Strahlenschutz: bfs.de

Bundesgesellschaft für Endlagerung: bge.de

atommuellreport.de

nuclear-free.com/uranatlas.html

ausgestrahlt.de

EU-Taxonomie: eur-lex.europa.eu/eli/reg/2020/852/oj

Text und Fotos: Harald Huber

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