Bayerns zweitgrößtes Märzenbechergebiet

Foto von R.Lekar

– Holzeinhieb im FFH-Gebiet an der Windach

In der zweiten Februarhälfte diesen Jahres wurden bei Spaziergängen von Bürgern entlang der Windach Forstarbeiten im Auwaldbereich wahrgenommen, was bei vielen Windachern Entsetzen auslöste und Fragen aufwarf. In Bayerns zweitgrößtem Märzenbechergebiet fand ein massiver Holzeinschlag statt.

Dieser Tatbestand wurde der unteren Naturschutzbehörde (uNB) im Landratsamt und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) gemeldet. Auch wurde Kontakt mit dem betroffenen Waldbesitzer aufgenommen. Dieser rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass wegen der Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers die Fällarbeiten von ihm veranlasst wurden, da aufgrund des Pilzbefalles des Eschenbestandes herunterfallende Äste der kranken Bäume oder sogar umstürzende Bäume eine Gefahr für die Wanderer auf dem Trampelpfad darstellen.

 Viele Teile des Gebietes sind durch ein Europäisches Schutzgebiet, ein FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) streng geschützt. Hier gilt ein Verschlechterungsverbot, d.h. es darf nichts unternommen werden, was die Bedingungen für Pflanzen und Tiere verschlechtert.

Es wurden aber auch gesunde alte Bäume weit abseits des Trampelpfads und auf der anderen Flussseite, wo kein Weg existiert, mitten im FFH-Gebiet gefällt. Durch den Einsatz schwerer Erntemaschinen, sogenannten Harvester, wurden augenscheinlich zudem massive Eingriffe und Schäden am Boden, in der Bodenflora und auch im Fließgewässer, dem Fluss selbst, hervorgerufen. So sind zwei neue Furten durch die Windach geschaffen worden. Aufgrund dieser  Schäden haben sich mittlerweile auch Naturschutzorganisationen, der BUND Naturschutz (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) und der LBV (Landesverband für Vogelschutz) eingeschaltet.

Es stellte sich nun heraus, dass der geschilderte Eingriff, im Gegensatz zu einer vergleichbaren Maßnahme, die der gleiche Waldbesitzer im Jahre 2019 durchgeführt hatte, diesmal weder mit dem AELF noch der uNB abgesprochen worden ist.

Der Eingriff erstreckt sich neben uferbegleitenden Flächen außerhalb des FFH-Gebietes eindeutig auch auf die Auwaldbereiche östlich des FIusses. Diese Flächen stehen als sog. Lebensraumtyp „Auwald“ (91EO) in einem FFH- Gebiet unter besonderem Schutz. Hier an der Windach kommen Arten wie der Eisvogel, Schillerfalter, Bachamsel und besonders die Frühlingsknotenblume, im Volksmund Märzenbecher vor.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Entnahme vor allem der Eschen, einen Leitorganismus, eine zentrale Art, für diesen Lebensraumtypen beseitigt. Das könnte die Gefahr bergen, dass dieses Gebiet künftig vom AELF aus dem Schutzstatus eines Auwaldes zu einem normalen Wald mit den entsprechenden rechtlichen Maßgaben für die Bewirtschaftung abgewertet werden könnte. Der BUND Naturschutz sieht die große Gefahr, dass durch die massive Fällung von großen Bäumen das Kleinklima soweit verändert wird, dass sich die Zusammensetzung der Flora massiv ändern könnte.  (Dies widerspräche den Europäischen Naturschutz-Gesetzen, wie inzwischen einige Gerichte festgestellt haben.)

Der BUND Naturschutz bat daher in einem Schreiben das AELF dringend, diesen Schritt auf keinen Fall zu gehen. Auch ohne die nun entnommenen wertvollen alten Eschen bleibt durch die anderen Arten, die typische Märzenbecherflora und das im Gebiet vorhandene auwaldtypische Hangdruckwasser ein absolut wertvoller Lebensraum, dessen Erhalt allen Beteiligten ein unabdingbares Anliegen sein sollte. 

Desweiteren wandte sich auch der LVB an das AELF. Nicht nur die Holzentnahme wurde vom LBV beklagt, sondern auch der Einsatz von schweren Maschinen und die damit verbundenen Schäden im nun verdichteten Boden. Die Holzerntearbeiten wurden mit einem Harvester durchgeführt zu einem sehr späten Zeitpunkt, so dass reihenweise Märzenbecher vernichtet worden sind, zudem wurden auch anderweitige Schäden am Flussbett festgestellt.

Was den LBV massiv umtreibt, ist der zunehmende Einsatz von Harvestern auch in Schutzgebieten und auf sensiblen Waldstandorten ohne Rücksicht auf verdichtete und degradierte Böden, sowie den Schäden an Bäumen und Sträuchern im Arbeitsbereich der Geräte mit Rindenschäden, abgebrochen Kronen und Ästen, die sich mancherorts wie ein Naturfrevel darstellen.  

Lt. LBV müssten die Behörden hier ein viel stärkeres Augenmerk darauf legen, dass ohne ökologische Baubegleitung und waldbaulich geschultem Fachpersonal Entholzungsmaßnahmen in Schutzgebieten nicht durchgeführt werden sollten und weist auf die Notwendigkeit entspechender Verordnungen hin.

Fazit:

Die rechtliche Bewertung des Holzeinhiebes liegt nun bei den Behörden, der uNB und des AELF: Diese bewerten, inwieweit keine sachgemäße Bewirtschaftung des Waldes vorgenommen wurde und gegen im FFH-Gebiet geltende Vorgaben verstossen wurde. Die Naturschutzverbände werden diese Entscheidung genau begleiten.

Jetzt geht es aber auch darum, mit den geschaffenen Tatsachen umzugehen und zu überlegen und zu diskutieren, wie sich Gemeinde und BürgerInnen positionieren, und ob sich gegen die evtl. fehlende Umsetzung des FFH- Schutzes gemeinsam mit BUND und LBV zur Wehr gesetzt wird.

Wegen der aktuellen Vorkommnisse und den daraus resultierenden vielen Begehungen entlang der Windach ist noch Folgendes aufgefallen: Gerade an den Wochenenden sind verschiedene Ortsteile, besonders im Bereich der Raiffeisenstraße und Am Kellerberg (auf öffentl. Grünflächen) zugeparkt mit Fahrzeugen mit fremden Kennzeichen (M, STA, TÖL, A, usw.). Diese sind nur die Symptome dessen, was sich an Besucherströmen (Wanderer und Biker) entlang der Windach aufreiht. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Trampelpfad auf diversen Wander-Apps zu finden ist und ein kürzlich in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicher Bericht auf die Schönheit der Windach in Windach zur Blütezeit des Märzenbechers als Geheimtip hinweist. Hier ist nun auch die Gemeinde gefordert und sollte schnellstmöglich nach Lösungen suchen, wie das Windach-Tal vor diesem Besucheransturm geschützt werden kann, bevor sich die Bewohner der Windach, wie Eisvogel und Bachamsel, ein neues Zuhause suchen müssen.

Wünschenswert wäre, das Windachtal in seinem ursprünglichen Zustand zu erhalten und dass in Zukunft respektvoller und schonender mit diesem einzigartigen Naturjuwel umgegangen werden würde, so dass es sowohl ein Lebensraum für die vielen Pflanzen und Tiere als auch ein Erholungsort für die Windacher bleibt.

(Text von Jan Klingberg, Fotos von Ute Pontius)